Frischer Wind in alten Mauern {2}

8 Moves, die die Kirche wieder in Bewegung bringen.

Move 2: Mehr Substanz!

Es braucht Experiences!

Events und Experiences stehen hoch im Kurs. Ich finde das gut. Warum? Weil der christliche Glaube schon immer untrennbar mit Erfahrungen verbunden war. Fischer wurden zu Nachfolgern, durch ihre Erfahrungen mit Jesus.

Paulus, dem heftige Verfolger der jungen Kirche ging durch die Begegnung mit Jesus auf dem Weg nach Damaskus das Licht auf. Er wurde zu einem glühenden Nachfolger und zum großen Lehrer der Christenheit.

Über 500 Menschen zeigte sich Jesus nach seiner Auferstehung. Wenn das keine Experience ist, dann weiß ich auch nicht! Dennoch plädiere ich für „mehr Substanz“.

„Mehr Substanz“ – nicht „weniger Erlebnis“

Das besagt der zweite Move, den ich hier zu Sprache bringen will. Nicht „Substanz“ auf Kosten von Erfahrungen. Sondern eine Substanz, als ihr tragfähiges Fundament. Es geht um „mehr Substanz“, nicht „weniger Erlebnis“.

Erlebnisse sind eine Folge der Substanz, nicht umgekehrt. Die Realität Gottes ist auch dann wirklich und existent, wenn wir sie gerade nicht erleben, fühlen oder bemerken.

Schwierig wird es immer dann, wenn wir Gott und sein Wirken in eine Box packen wollen. Ihm also vorschreiben, wie er zu sein, sich zu zeigen hat. Wie wir ihn erleben wollen. Oder uns andere geistliche Leiter sagen, wie es zu sein hat.

Warum ist das schwierig?

Weil Gott der „ganz andere“ ist. Wenn ihn „aller Himmel Himmel nicht fassen können“ (1. Könige 8,27), wie will ich ihn dann mit meinen Vorstellungen, Emotionen und Wahrnehmung einfangen? Das ist ja hoffnungslos … Und ich überschätze mich hoffnungslos!

Martin Schleske, der bekannte Geigenbaumeister und geistliche Autor, weist darauf hin, dass »das Lebendige des Glaubens nicht nur aus Vertrauen, sondern auch aus Ehrfurcht besteht.« 

Und das heißt? Das heißt, dass unser Glaube erst dann, wenn er » … nicht nur das Vertraute, sondern auch die Gottesfurcht kennt, … die alles umfassende Bereitschaft erwachsen« lässt, »… sich dem Dasein auch in seiner Krisenhaftigkeit« zu stellen. Will sagen?

Wenn es also nicht so läuft, wie gedacht, geht das auch in Ordnung! In uns wächst so die Bereitschaft, die Substanz, Krisen durchleben zu können, ohne aus der Kurve zu fliegen. Wir werden resilient! Noch einmal Schleske dazu:

»Zu wissen, dass mein Leben anders sein darf, als ich es mir wünsche, und zu wissen, dass Gott auch anders sein darf, als mein Glaube es ihm erlauben will – das zu wissen, ist die Verneigung meiner Seele vor Gott.«   

Feste Fundamente gefragt

Und so eine Substanz braucht unser Glaube, unsere Kirchen und Gemeinden. Oder? Wir tragen als Verantwortliche die Verantwortung, dass die Christen, mit denen wir unterwegs sind, nicht nur die Anfangsgründe des Glaubens lernen. So sollen ein festes Fundament bekommen, das auch in Krisen trägt. Sie sollen lernen, ihre „Häupter zu erheben, weil unsere Erlösung naht.“ und gleichzeitig in Ehrfurcht unserer „Häupter neigen, weil aller Himmel Himmel den großen Gott nicht fassen können.“ Was braucht es, um dieses Fundament zu legen? Gottes Wort!

Bibel im Regal?

Zu hören, dass ca. 60 % der aktiven Christen die Bibel kaum zur Hand nehmen, macht mich betroffen. Mitarbeitende aus den Kindergottesdiensten berichten, dass Kids aus christlichen Familien zunehmend die bekanntesten Storys der Bibel nicht mehr kennen. Das macht mich hellhörig. Mit langjährigen Mitarbeitern zu sprechen und zu bemerken, dass ihnen Schlüsseltexte der Bibel nicht vertraut sind, macht mich nachdenklich.

Substanz durch das Wort

Um eine starke Kirche mit geistlich reifen Leuten zu werden, die in dieser Zeit Licht und Salz sind, braucht es diese Substanz. Erfahrungen erwachsen aus der Substanz, wie wir aus der verfolgten Kirche hören.

Wir brauchen Christen in unseren Kirchen und Gemeinden die in der Lage sind, auch einmal ohne Erfahrungen Kurs zu halten. Ihre Verwurzelung in der soliden Substanz trägt. Die Graswurzelbewegung, die der erste Move beschreibt, wird es ohne solche Nachfolger – mit diese Substanz – nicht geben. Das Wort Gottes ist die einzig belastbare Grundlage, aus der diese Substanz gebaut wird. Jesus ist dort erfahrbar. Er ist das Wort Gottes.

Kompass. Kraft. Nahrung.

Das Wort Gottes hat Kraft. Ist Nahrung. Kompass. Person. Durch das Wort von Gott ist alles in Existenz gekommen. Durch das Wort von Gott wird gerade in diesem Augenblick das ganze Universum zusammengehalten. Und sein Wort heilt, befreit und ist das Licht in dieser dunklen Zeit. Diese Substanz des Wortes führt zu einer belastbaren Erfahrung seiner Gegenwart, seines Redens und wird so zur sinnvollen Grundlage hörenden betens. Denn das hörende Gebet macht ja nur Sinn, wenn es auf ein gehorsames Herz trifft, das darauf hin handeln wird.

Wenn das Wort von Gott die Quelle der Substanz wird, erneuert es unser Denken. Wir bekommen Durchblick und Maßstäbe, mit denen wir konstruktiv kritisch, mündig, nachdenklich … die Thesen dieser Zeit reflektieren. So bewährt sich die Substanz des Glaubens im Alltag. 

Führt uns das Wort zurück ins Mittelalter, in die Vergangenheit?

Nee, ganz im Gegenteil. Es kommt ja aus der Zukunft und hat eine faszinierende Zukunftsperspektive:

Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. | Matthäus 24,35

Das Gras ist verdorrt, und die Blume ist abgefallen; aber das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit.“ Dies aber ist das Wort, das euch als Evangelium verkündigt worden ist. | 1. Petrus 1,24-25

Geistliche Erneuerung mit Substanz

Geistliche Erneuerung wird es nur geben, wenn die Kirche wieder auf der Substanz des Wortes Gottes aufbaut. Jesus ist das Wort. Er ist der Eckstein, das Fundament. Die ersten Christen trafen sich täglich (!) und studierten das Wort Gottes mit der Lehre der Apostel. Josua hat schon von Gott den Hinweis auf diese Substanz erhalten:

Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, nach alledem zu handeln, was darin geschrieben ist; denn dann wirst du auf deinen Wegen zum Ziel gelangen, und dann wirst du Erfolg haben. Habe ich dir nicht geboten: Sei stark und mutig? Erschrick nicht und fürchte dich nicht! Denn mit dir ist der HERR, dein Gott, wo immer du gehst. | Josua 1,8

Wie werden wir Verantwortliche das Wort von Gott kreativ und intensiv, relevant und authentisch der Graswurzelbewegung als Substanz vermitteln können? Wenn das gelingt, in der Kraft des Heiligen Geistes, wird die Power da sein, diese Welt auf den Kopf zu stellen, zu heilen, zu versöhnen …!

Das ist die Frage im zweiten Move, den ich für unsere Gemeinden so dringend sehe. Nur so reifen Nachfolger von Jesus in allen Generationen heran, die mit Substanz einen Unterschied bewirken. Das wird dann auch zu großartigen Erlebnissen führen. Und ein toller Nebeneffekt: die Texte der populären Worship-Songs bekommen auch wieder mehr Tiefe und drehen sich nicht mehr nur um uns und unser Erleben von und mit Gott. Das wäre auch cool.

Was sind Deine Gedanken dazu?

Zitate aus: Martin Schleske, Werk|Zeuge

Hier geht es zur passenden Podcastepisode

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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2 Antworten zu Frischer Wind in alten Mauern {2}

  1. Lukas Gotter schreibt:

    Vielen Dank, Lothar! So ist es.

    Als ich mein Buch im theologischen Sektor von SCM veröffentlichen durfte, wurde mir deutlich gemacht: Theologie und Lehre ist gerade nicht „in“ im frommen Sektor und ich wurde auf keine hohen Absatzzahlen vorbereitet. So kam es auch. Mein Vater, der christlicher Buchhändler ist, sagt immer mehr: Die Leute kaufen keine gute Lehre mehr. Keine Bücher. Keine Kommentare. Die Bibel scheint „bekannt“ zu sein. (Übrigens ist das auch ein Phänomen für Bücher, „die man als Leiter lesen sollte“…)

    Nun ist der Buchmarkt gesamtgesellschaftlich eher auf dem Rückzug. Und trotzdem: Ich finde es bitter, wenn wir gästefreundliche Gottesdienstkultur mit oberflächlicher Theologie gleichsetzen, anstatt wirklich in die Tiefe zu gehen oder es miteinander zu probieren. Ein gutes Gegenbeispiel ist das ICF München dafür.

    Daher meine Frage (an dich und andere Gemeindeleiter): Wie bekommen wir es wieder mehr in Gemeinde integriert? Liest man noch in Ältestenkreisen und Gemeindeleitungen Bücher, Kommentare oder gar Bibel? Und tauscht sich aus über biblische Lehre? Ringt man darum?

    Wir als Gemeindeleitung „schaffen“ das gar nicht…

  2. Pingback: Hilfen zu »Move 2« | DER LEITERBLOG

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